Dein Rücken schmerzt gewaltig, Dir ist jedoch nicht klar, was die Ursache der Schmerzen ist? Hier erfährst Du, ob es sich bei Deinen Schmerzen eventuell um einen Bandscheibenvorfall handelt oder ob die Schmerzen doch wahrscheinlich anderen Ursprungs sind. Dabei ist dieser Text ausdrücklich keine Anleitung zur Selbstdiagnose und ersetzt keine ärztliche Untersuchung.
Inhaltsverzeichnis
Symptome – Erkennen eines Bandscheibenvorfalls
Bei der Hälfte aller Betroffenen sind die ersten Symptome leichte Schmerzen, die mit der Zeit immer schlimmer werden. Oft werden brennende und stechende Rückenschmerzen beschrieben. Typisch für einen Bandscheibenvorfall ist, dass die Schmerzen in Arm oder Bein ausstrahlen. Bei betroffener Lendenwirbelsäule strahlen die Schmerzen ins Bein, bei betroffener Halswirbelsäule in den Arm. Das kann zu Muskelschwäche, Kribbeln, Taubheitsgefühl oder im schlimmsten Fall zu einer Lähmung führen.
Slump Test
Es gibt verschiedene Tests, mit denen medizinisches Personal herausfinden kann, ob Du einen Bandscheibenvorfall hast. Der aussagekräftigste Test, den Du zu Hause nachstellen kannst, ist der Slump-Test. Verwende diesen Test nicht zur Selbstdiagnose, er kann eine ärztliche Untersuchung nicht ersetzen, sondern lediglich einen ersten Hinweis über die Ursache der Schmerzen geben. Fällt der Test positiv aus, ist das ein Anzeichen für einen Bandscheibenvorfall. Ist er negativ, spricht das gegen einen Bandscheibenvorfall. Eine Gewissheit liefert der Test auch unter klinischen Bedingungen nicht. Gehe achtsam mit Dir um und brich sofort ab, wenn die Schmerzen schlimmer werden.
Die Schritte dieses Tests sind nachfolgend aufgeführt. Alternativ kannst Du Dir auch das PDF zum Slump Test herunterladen und ggf. ausdrucken.
Weitere Tests für Zuhause
Durch den komprimierten Nerv fällt es vielen Betroffenen eines Bandscheibenvorfalls schwer, ihre Muskeln wie gewöhnlich anzusteuern. Du kannst versuchen, ein paar Schritte auf den Zehen und ein paar Schritte auf den Hacken zu gehen. Zusätzlich kannst Du versuchen, auf einem Bein zu stehen. Wenn Dir das nicht oder nur durch eine Schmerzzunahme gelingt, dann kann das ein Hinweis für einen akuten Bandscheibenvorfall sein.
Für den letzten Test gehst Du 15 Minuten warm baden. Nur bei wenigen Betroffenen von Bandscheibenvorfällen lindert warmes Baden die Schmerzen. Wenn Deine Schmerzen durchs Baden deutlich verbessert wurden, ist die Wahrscheinlichkeit für einen Bandscheibenvorfall gering.
Risikofaktoren für einen Bandscheibenvorfall
Häufig wird sich die Frage gestellt: Wie wahrscheinlich ist es, dass ausgerechnet ich einen Bandscheibenvorfall erleide? Oder Anders: Wie hoch ist mein persönliches Risiko für einen Bandscheibenvorfall?
Das lässt sich natürlich nicht pauschal beantworten, dennoch gibt es mehrere Faktoren, die das Risiko für einen Bandscheibenvorfall erhöhen. Die einzelnen Risikofaktoren können in zwei Bereiche eingeteilt werden. So ist die spezifische Lebenssituation ein übergeordneter Risikofaktor, aber auch Vorerkrankungen und Abnutzungen der Wirbelsäule spielen eine zentrale Rolle. Die jeweiligen Risikofaktoren innerhalb der beiden Bereiche (Lebenssituation & Abnutzung/Vorerkrankung) werden im Nachfolgenden näher beleuchtet. Wichtig ist, dass Risikofaktoren nur Aussagen über statistische Wahrscheinlichkeiten geben. Es kann sein, dass kein Risikofaktor bei Dir ausschlägt und Du dennoch unter einem Bandscheibenvorfall leidest oder umgekehrt.
Lebenssituation
Hierunter werden Personendaten wie Alter und Geschlecht, aber auch situationsabhängige Faktoren wie Schwangerschaft, Körpergewicht, Beruf und Bewegung gefasst.
Alter
Das Alter spielt beim Bandscheibenvorfall eine entscheidende Rolle.
Mit zunehmendem Alter nutzen sich die Bandscheiben ab und verlieren so ihre Eigenschaften als Stoßdämpfer. Gleichzeitig nimmt der sog. Quelldruck der Bandscheiben mit erhöhtem Alter wieder ab. Deshalb sinkt das Risiko für einen Bandscheibenvorfall ab einem gewissen Alter wieder. Das höchste Risiko für einen Bandscheibenvorfall wird zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr verortet.
Geschlecht
Frauen erleiden etwas häufiger einen Bandscheibenvorfall als Männer.
Als Erklärung für diese Beobachtung wird auf das durchschnittlich festere Bindegewebe und die durchschnittlich strafferen Bänder bei Männern verwiesen.
Ein weiterer Risikofaktor bei Frauen sind schwangerschaftsbedingte Belastungen der Wirbelsäule.
Schwangerschaft
Während einer Schwangerschaft kommt es zu einer Gewichtszunahme im Bauchbereich. Dadurch wird die Lendenwirbelsäule in ein Hohlkreuz gezogen. Damit die Geburt stattfinden kann, werden bereits mehrere Tage vor der Geburt die Bänder im Beckenbereich dehnbarer. Zusätzlich zum Beckenbereich werden auch die Bänder in der Wirbelsäule schwächer. So ist das Risiko für einen Bandscheibenvorfall während der Schwangerschaft deutlich erhöht.
Körpergewicht
Übergewicht belastet die Wirbelsäule, die Bandscheiben müssen mehr Gewicht abfedern und altern schneller. Aber auch Unterernährung oder Magersucht lassen das Risiko für einen Bandscheibenvorfall steigen. Gerade bei Heranwachsenden hat Nährstoffmangel eine negative Auswirkung auf Knochen und Knorpel. Stark schwankendes Körpergewicht erhöht ebenfalls das Risiko für einen Bandscheibenvorfall.
Beruf
Langes Sitzen während der Arbeit ist ein großer Risikofaktor, besonders betroffen sind Berufskraftfahrende oder Menschen, die Bürotätigkeiten ausführen.
Sitzen ist zwar die schlechteste Haltungsposition, langes Stehen oder Gehen ist jedoch ebenso wenig optimal. Am gesündesten für die Bandscheiben ist ein ständiger Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen.
Bewegung
Die Wirbelsäule braucht Bewegung, um flexibel und belastbar zu bleiben. Bewegungsmangel gehört zu den häufigsten Ursachen für Kreuzschmerzen und ist ein Risikofaktor für einen Bandscheibenvorfall. Spezielle Rückenprogramme sind gut, aber nicht zwingend notwendig. Es gibt viele rückenfreundliche Sportarten, die alternativ gemacht werden können, z. B. Nordic Walking, Joggen, Schwimmen, Pilates, Yoga und Tanzen.
Vorerkrankungen und Abnutzungen
Generell gesprochen erhöhen Vorerkrankungen und Abnutzungen der Wirbelsäule das Risiko, einen Bandscheibenvorfall zu erleiden. Einzelne Krankheiten und Abnutzungserscheinungen werden wir uns nachfolgend genauer ansehen.
Fehlstellungen
Fehlstellungen belasten die Wirbelsäule und machen einen Bandscheibenvorfall wahrscheinlicher.
Skoliose ist die bekannteste und am weitesten verbreitete Fehlstellung. Zudem hat sie das größte Risikopotential. Es wird von einer Skoliose gesprochen, wenn die Wirbelsäulenverkrümmung zehn Grad übersteigt, bei weniger wird von einer skoliotischen Fehlhaltung gesprochen.
Ein weiterer Risikofaktor ist das Hohlkreuz oder der Rundrücken. Je stärker die Ausprägung, desto höher ist das Risiko für einen Bandscheibenvorfall.
Auch eine Beinlängendifferenz hat einen negativen Einfluss auf Deine Wirbelsäule und sollte (bei starker Ausprägung) ausgeglichen werden.
Chronische Rückenschmerzen
Chronische Rückenschmerzen können ein Anzeichen für Verschleiß an der Wirbelsäule sein. Verschleiß an der Wirbelsäule ist zwar Teil eines natürlichen Alterungsprozesses, führt aber indirekt zu einem höheren Risiko für einen Bandscheibenvorfall.
Bekannte Verschleiß fördernde Krankheiten sind Wirbelgleiten (Spondylolisthesis), Rückenmarkskanal-Verengung (Spinalkanalstenose) und Arthrose der kleinen Wirbelgelenke (Facettenarthrose).
Bandscheibenvorfall in der Vergangenheit
Wenn eine Person bereits einen Bandscheibenvorfall hatte, erhöht sich das Risiko für einen erneuten Vorfall deutlich. Denn ein Bandscheibenvorfall schädigt die Bandscheibe unwiderruflich und ein Teil ihrer Eigenschaft als Stoßdämpfer geht verloren. Folgende Belastungen erhöhen den Verschleiß.
Osteoporose
Bei Osteoporose kommt es zu einem Verlust an Knochendichte, wodurch die Knochen brüchig werden. Durch eine Knochenentkalkung werden die Knochen weicher und die Wirbelkörper verbiegen sich unter der Last des Körpers. Als Folge entstehen Fehlstellungen, durch die Bandscheibenvorfälle schneller auftreten.
Rheumatische Erkrankung
Bei einer rheumatischen Erkrankung richten sich körpereigene Abwehrzellen gegen das Gewebe. Die Krankheit macht vor der Wirbelsäule keinen Halt, aber nicht alle rheumatischen Erkrankungen betreffen sie in selbem Maße.
Die rheumatische Erkrankung Morbus Bechterew führt häufig zu Versteifungen an der Lendenwirbelsäule, andere rheumatische Erkrankungen betreffen die Wirbelsäule nur indirekt.
Diagnosik – So Testet medizinisches Personal
Anamnese:
Besteht der Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall, werden Dir in aller Regel zuerst ein paar Fragen gestellt. Bei der Anamnese wird nach dem Beginn und dem Verlauf Deiner Symptome gefragt. Gab es eventuell ein Schmerz auslösendes Ereignis? Wo sind die Schmerzen? Wie genau fühlen sich die Schmerzen an? Hast Du ein Kribbelgefühl, einseitige Muskelschwäche oder ein Taubheitsgefühl? Zusätzlich wird in der Anamnese noch darauf geachtet, dass bei Dir keine der sog. “Red Flags” vorliegt. Red Flag sind Marker für eine gravierende Schmerzursache, bei der unmittelbarer Handlungsbedarf besteht. Für die Wirbelsäule sind das unter anderem starker Gewichtsverlust, Fieber, starker nächtlicher Schmerz oder Taubheitsgefühl im Genitalbereich.
Körperliche Untersuchung:
Die Ärztin oder der Arzt wird überprüfen, ob Du eine Schonhaltung einnimmst, um z. B. das betroffene Bein zu entlasten. Außerdem wird die Form und der Verlauf Deiner Wirbelsäule untersucht. Hierbei wird auf mögliche Muskelverhärtungen Ausschau gehalten und der Rücken auf Druck sowie Klopfschmerz überprüft. Zusätzlich werden oft spezifische Sensibilität-, Kraft- und Reflex-Tests durchgeführt.
Bildgebende Untersuchung:
Zu der bildgebenden Untersuchung zählen das Röntgen, die Magnetresonanztomographie sowie die Computertomographie. Sind gewisse Risikofaktoren gegeben, wird die körperliche Untersuchung durch eine bildgebende Diagnostik ergänzt. Sind keine Risikofaktoren gegeben, dann wird selbst bei akutem Rückenschmerz und diagnostiziertem Bandscheibenvorfall die bildgebende Diagnostik nicht routinemäßig durchgeführt.
Diagnose Bandscheibenvorfall – Und jetzt?
Wenn bei Dir ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert wurde, solltest Du einen Mittelweg zwischen Bewegung und Entspannung suchen. Früher wurde bei einem Bandscheibenvorfall Bettruhe verordnet. Heute wird dazu geraten, aktiv zu bleiben. Du solltest mit leichter Bewegung beginnen, dabei auf Deine Schmerzgrenze achten und Dir im Anschluss ausreichend Entspannung gönnen. Spazieren gehen wird oft als erste Aktivität nach einem Bandscheibenvorfall empfohlen.
Referenzen
- “Bandscheibenprolaps (Bandscheibenvorfall).” Amboss, 2022, https://www.amboss.com/de/. Abgerufen am 13. Dezember 2022.
- Kolster, Bernard C., et al., editors. Handbuch Physiotherapie: umfassend, aktuell, evidenzbasiert, praxisnah. KVM, 2017.
- Söller, Felix and Ellen Warstat. Rücken ohne Schmerz: die besten Tipps zur schnellen Selbsthilfe : 5 x 5 Übungen, die wirklich helfen. Humboldt, 2019.
Toprak, Sadk. - “The sensitivity and specificity of the Slump and the Straight Leg Raising tests in patients with lumbar disc herniation.” PubMed, 2008, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18391677/. Abgerufen am 13. Dezember 2022.