Unsere Bandscheiben liegen zwischen den einzelnen, knöchernen Wirbelkörpern der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule und dienen als Puffer zwischen den einzelnen Wirbeln. Sie bestehen im Wesentlichen aus einem weichen, gallertartigen Kern und dem umgebenden Faserring. Ein Bandscheibenvorfall (Diskusprolaps oder kurz Prolaps) tritt dann auf, wenn der äußere Faserring einer Bandscheibe rissig wird, sodass der weiche Kern hervortritt und im schlimmsten Fall auf die umliegenden Nerven oder das Rückenmark drückt. Das wiederum wird als starker Schmerz wahrgenommen, der – je nach Lage des Bandscheibenvorfalls – in die Extremitäten wie Arme oder Beine ausstrahlen kann. Auch Lähmungserscheinungen oder Taubheit können infolge eines Diskusprolaps auftreten. Doch was ist nun die richtige Behandlung nach einem Bandscheibenvorfall – konservative Therapien oder doch eine OP? Beleuchten wir im Folgenden einmal die Behandlungsmöglichkeiten.
Inhaltsverzeichnis
Die drei Schweregrade eines Bandscheibenvorfalls
Man unterscheidet im Allgemeinen zwischen drei Schweregraden, zudem muss nicht jeder Bandscheibenvorfall immer mit Schmerzen und körperlichen Einschränkungen einhergehen.
- Die Bandscheibenvorwölbung (Protrusion): Hierbei bleibt die Bandscheibe an sich intakt, schiebt sich aber aus ihrer Position heraus und wölbt sich nach außen in eine Richtung. Dies kann zu Problemen und Schmerzen führen, wenn Nerven gequetscht werden, kann aber auch komplett symptomfrei und unbemerkt verlaufen.
- Der Bandscheibenvorfall (Prolaps): Hier bekommt der äußere Faserring der Bandscheibe Risse. Der weiche Kern tritt an dieser Stelle aus und drückt auf die umliegenden Nerven. Das austretende Kerngewebe verursacht durch den Druck auf die angrenzenden Nerven Schmerzen, Bewegungseinschränkungen und/oder Lähmungserscheinungen beziehungsweise Taubheitsgefühle.
- Die Bandscheibenablösung (Sequester): Bei der schwersten Form eines Bandscheibenvorfalls tritt das Innengewebe aus dem Kern in den Wirbelkanal aus und hat keine Verbindung mehr zur restlichen Bandscheibe.
Ruhe und Schmerztherapie – erste Maßnahmen nach einem Bandscheibenvorfall
Heutzutage wird die Therapie nach einem Bandscheibenvorfall individuell auf den Leidensdruck des Patienten und den Schweregrad des Vorfalls angepasst. Sicherlich sind in den ersten Tagen Ruhe und Schonung zu empfehlen. Bei über 90 % der Betroffenen bildet sich ein Bandscheibenvorfall innerhalb weniger Wochen von allein wieder zurück. Es wird angenommen, dass das austretende Gewebe vom Körper abgebaut wird und sich damit der Druck auf das Nervengewebe von allein nach und nach verringert. Eine OP wird nur als letztes Mittel herangezogen, wenn bestimmte starke neurologische Ausfallerscheinungen wie Darm- oder Blasenstörungen oder sehr starke Lähmungserscheinungen auftreten.
Gezielte Übungen zur Stärkung durch Physiotherapie
Die wichtigste Maßnahme ist es, nach einem Bandscheibenvorfall den Patienten mittels sanfter und gezielter Kräftigungs- und Stärkungsübungen wieder in die Bewegung zu bringen. Dazu wird der Betroffene oftmals zum Physiotherapeuten überwiesen, der mit ihm zusammen einen sinnvollen Katalog an Bewegungsmaßnahmen erarbeitet und diese mit ihm zusammen (ein)übt, sodass gegebenenfalls die Übungen daheim weitergeführt werden können. Dabei wird auch darauf eingegangen, welche Bewegungen rückenschädigend sind und zukünftig vermieden werden sollen.
Weitere Maßnahmen: Rückenschule und Ergonomie
Der Besuch einer Rückenschule oder eines Rehasport-Kurses kann ebenfalls nach der akuten Schmerzphase dazu beitragen, dass die umliegende Gelenkmuskulatur und Tiefenmuskulatur aktiviert und gestärkt wird. Weiterhin sollten alle Bewegungsmuster im Alltag sowie die Ergonomie des Arbeitsplatzes unter die Lupe genommen werden: Gehen, sitzen und stehen wir ergonomisch, also rückenschonend? Dabei ist es wichtig, dass die Wirbelsäule in Bewegung kommt bzw. bleibt anstatt statisch zu verharren. Eventuell müssen Sitzmöbel und weiteres Arbeitsequipment angepasst werden, um optimal arbeiten zu können. Rückenschonende Bewegungsmuster wie das korrekte Aufheben von Gegenständen vom Boden sollten eingeübt und verinnerlicht werden.
Regelmäßiger Sport dient dem Muskelaufbau und der Kräftigung
Oben bereits kurz erwähnt, aber dennoch ein wichtiger eigenständiger Punkt: Ziel muss es sein, dass jeder Betroffene in die sportliche Bewegung kommt, um die umliegende Skelettmuskulatur nachhaltig zu mobilisieren, zu stärken und zu kräftigen. Regelmäßiges, funktionelles Rückentraining spricht dabei große Muskelgruppen an, komplexe Bewegungsabläufe stärken die tiefliegende, stabilisierende Rückenmuskulatur. Dabei ist es essenziell, eine gewisse Stabilität wie auch Beweglichkeit zu erhalten, wiederzuerlangen und zu stärken. Bauen Sie Übungen in Ihren Alltag ein, zum Beispiel:
- Zähneputzen auf einem Bein => fördert die Koordination und die Balance
Rückengerechtes Wäscheaufhängen => der Korb bleibt absichtlich auf dem Boden stehen und Sie gehen mit geradem Rücken in die Knie, um die Wäschestücke zu entnehmen - Rückengerechtes Anheben von Lasten => auch hierbei wird rückengerecht eine Last wie eine Getränkekiste oder eine Tasche beidhändig vor dem Körper angehoben
Übungen mit einem Wackelbrett fordern und fördern die Tiefen- und Core-Muskulatur. Dehnen und sanfte Stretching-Übungen unter anfänglicher Anleitung können zur Auflösung von Blockaden oder Verspannungen beitragen. Alle Übungen sollten immer individuell an den jeweiligen Patienten angepasst sein, sodass dieser zwar gefordert, aber nicht überfordert wird.
Yoga und andere sanfte Bewegungs- und Entspannungsformen wie Qigong oder Progressive Muskelentspannungen können ebenfalls Teil der Rehabilitation sein.
Fazit: Bewegung und Kräftigung nach einem Bandscheibenvorfall
Helfen konservative Therapien nach einigen Wochen oder Monaten nicht, sollten weitere diagnostische Mittel eingesetzt werden. Möglicherweise ist dann eine OP doch notwendig. Aber zuvor können in sehr vielen Fällen bei einem Bandscheibenvorfall konservative Behandlungsformen wie Physiotherapie, Rückenschule oder Rehasport bereits das richtige Mittel der Wahl sein. Stabilität, Koordination, Beweglichkeit und Muskelkräftigung sollten im Vordergrund einer Behandlung stehen. Zu Beginn geht es um den Muskelerhalt und den Erhalt der Beweglichkeit, eine zu starke Schonung oder gar längere Bettlägerigkeit ist heutzutage gar nicht mehr vorgesehen. Ist die akute Phase nach einigen Wochen abgeschlossen und der Patient im besten Falle wieder schmerzfrei, sollte des Weiteren am Muskelaufbau, der Rumpfstabilität und der Koordination gearbeitet werden. Auch, um weitere Bandscheibenfälle zu verhindern und sich davor bestmöglich zu schützen.