Bei einer CMD (Craniomandibuläre Dysfunktion, ICD-10 K07) handelt es sich um eine Funktionsstörung des Kausystems, die letztendlich zu einer Kieferfehlstellung führt. Tückisch ist allerdings, dass sich die Erkrankung häufig durch unspezifische Symptome äußert, sodass die Diagnose erst spät gestellt wird.
Unbehandelt ruft die CMD starke Beschwerden hervor. Es gibt jedoch verschiedene Therapieansätze, die eine deutliche Besserung oder sogar Heilung des Krankheitsbildes versprechen.
Eine Craniomandibuläre Dysfunktion kann sowohl die Kaumuskeln als auch die Kiefergelenke betreffen. Manchmal ist beides gleichzeitig der Fall. Die CMD kommt übrigens recht häufig vor: Rund 15 % aller Erwachsenen in Deutschland leiden darunter.
Inhaltsverzeichnis
Welche Symptome treten bei einer Craniomandibulären Dysfunktion auf?
CMD kann viele Gesichter haben. Dies erschwert die Diagnose. Bei folgenden Symptomen ist in jedem Fall an eine Craniomandibuläre Dysfunktion zu denken:
- Kieferschmerzen (einseitig oder beidseitig)
- Zahnschmerzen
- Berührungsempfindlichkeit der Kiefergelenke und der Kaumuskeln
- Schwierigkeiten beim Kauen
- Differenz zwischen Ober- und Unterkiefer
- Kieferknacken
- Kieferpressen (Bruxismus)
- taube Zunge
- schmerzende Lymphknoten
In vielen Fällen treten jedoch unspezifische Symptome auf, die erst einmal nicht mit einer Funktionsstörung des Kauapparates in Verbindung gebracht werden. Hierzu zählen:
- Tinnitus
- Migräne
- Schnarchen
- Schwindel
- Augenschmerzen
- Lichtempfindlichkeit
- Rückenschmerzen
- Knie- und Fußschmerzen
- Darmbeschwerden (Verdauungsstörungen
Bei derartigen Symptomen wird der Arzt vermutlich zunächst eine neurologische oder internistische Störung vermuten und entsprechende Untersuchungen einleiten. Da es erfahrungsgemäß sehr lange dauert, bis die Craniomandibuläre Dysfunktion diagnostiziert wird, solltest du deinen Verdacht konkret ansprechen.
Hast du deinen Hausarzt zur ersten Abklärung aufgesucht, wird dieser dich an einen Zahnarzt oder einen Kiefer-Spezialisten überweisen.
Besonders häufig: CMD und Tinnitus
Zwischen CMD und Tinnitus besteht sehr oft ein Zusammenhang, der in vielen Fällen leider erst zu spät erkannt wird. Ist tatsächlich die Craniomandibuläre Dysfunktion an deinen Ohrengeräuschen Schuld, klingen diese ab, sofern die Grunderkrankung (rechtzeitig) behandelt wird. Tinnitus neigt dazu, schnell chronisch zu werden. Umso wichtiger ist eine frühzeitige Behandlung.
Leidest du bereits länger als drei Monate unter Ohrengeräuschen, bleiben diese häufig auch dann bestehen, wenn die CMD erfolgreich therapiert worden ist. In diesem Fall hat der Tinnitus sich als eigenes Krankheitsbild verselbstständigt. Das Fortbestehen von Ohrengeräuschen ohne Ursache ist vergleichbar mit dem Schmerzgedächtnis. Eine Therapie zeigt oft nur noch wenig Erfolg.
Welche Ursachen liegen der CMD zugrunde?
Die CMD ist oftmals auf eine Okklusionsstörung zurückzuführen. Hierbei treffen die Zähne des Ober- und Unterkiefers gar nicht oder nicht richtig aufeinander. Dies kommt z. B. nach Zahnverlust oder Zahnunfällen vor. Auch eine falsche Behandlung beim Zahnarzt wie zu hohe Kronen oder Füllungen können die Entstehung einer CMD begünstigen.
Darüber hinaus besteht ein nicht zu unterschätzender Zusammenhang zwischen CMD und psychischen Erkrankungen. Stressbedingtes Zähneknirschen oder Kieferpressen, das meist unbewusst geschieht, ist nicht selten Auslöser der CMD. In einigen Fällen ist die Craniomandibuläre Dysfunktion jedoch auch eine Folgeerscheinung bestehender rheumatischer Grunderkrankungen wie Arthritis oder Arthrose.
Wie erfolgt die Diagnose bei CMD?
Der erste Ansprechpartner bei dem Verdacht auf CMD ist dein Zahnarzt. Wenn du Schmerzen beim Kauen verspürst, du den Mund nicht weit öffnen kannst und zusätzlich morgens unter einem steifen Kiefer leidest, solltest du den Arztbesuch nicht länger hinauszögern. Selbiges gilt, wenn du dich beim Zähneknirschen erwischst oder dein Partner dich darauf hinweist, dass du nachts mit den Zähnen knirschst.
Im Verdachtsfall wird dein Zahnarzt ein sogenanntes CMD-Screening durchführen. Hierbei wird überprüft, ob folgende Kriterien auf dich zutreffen:
- Du bist nicht in der Lage, deinen Mund weit genug zu öffnen.
- Wenn du deinen Mund öffnest, fällt eine Asymmetrie auf.
- Du bist nicht in der Lage, deinen Mund seitlich zu bewegen.
- Die Zähne des Ober- und Unterkiefers treffen nicht oder ungünstig aufeinander.
- Du hast sichtbare Zahnabdrücke in der Zunge und in der Wange (Zähneknirschen).
- Dein Zahnschmelz ist beschädigt und die Zahnhälse liegen frei.
- Deine Kiefergelenke knacken bei Bewegung.
- Deine Kau- und Nackenmuskulatur ist verhärtet und schmerzempfindlich.
Bestätigt sich der Verdacht eines CMD-Syndroms, wird dir dein Zahnarzt ein passendes Therapiekonzept erstellen. Deuten die Untersuchungsbefunde auf eine Blockade des Kiefergelenks hin, kann er zusätzlich ein MRT veranlassen. Letzteres macht auch dann Sinn, wenn sich die Beschwerden trotz Behandlung nicht bessern.
CMD und die Psyche
Zusätzlich zur Erhebung der körperlichen Befunde wird sich ein gewissenhafter Arzt bei Verdacht auf CMD immer nach deiner aktuellen Lebenssituation erkundigen. Zähneknirschen ist eine häufige körperliche Reaktion auf emotionalen Stress wie Umzug, Trennung oder Jobverlust.
Das Erlernen von Entspannungstechniken kann sich daher lohnen, um die CMD in den Griff zu bekommen. Bei schwerwiegenden seelischen Problemen ist eine Psychotherapie anzuraten. Hast du deine seelische Anspannung überwunden, lassen zumeist auch die Beschwerden der Craniomandibulären Dysfunktion deutlich nach.
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei CMD?
CMD erfordert eine ganzheitliche Therapie. Das bedeutet, dass mehrere Behandlungsmethoden einander ergänzen sollten und Ärzte verschiedener Fachgebiete (z. B. Zahnarzt, Kieferorthopäde, Physiotherapeut und Osteopath) in engem Austausch miteinander stehen.
Die Standard-Therapie bei CMD ist die Aufbissschiene. Letztere wird vom Zahnarzt individuell für dein Gebiss angepasst. Durch die Schiene wird das Zähneknirschen verhindert. Solltest du Pressen statt Knirschen, verteilt sich der Druck, sodass Schäden an Kiefer und Zähnen vermieden werden.
Wie lange und wie oft du die Schiene tragen musst, hängt vom Schweregrad deiner CMD ab. Manche Patienten müssen die Schiene nur nachts tragen, andere auch tagsüber. Solltest du sie tagsüber tragen, hast du vielleicht zu Beginn ein wenig Probleme mit dem Sprechen, ähnlich wie bei einer losen Zahnspange. Dies reguliert sich jedoch, sobald du dich an die Schiene gewöhnt hast. Bei den meisten Patienten ist dies innerhalb einer Woche der Fall.
Während der Nutzung der Aufbissschiene ist eine regelmäßige zahnärztliche Kontrolle wichtig. Manchmal kommt es nämlich vor, dass sich durch die Schiene neue Fehlhaltungen entwickeln. Wird Letzteres bemerkt, kann die Schiene angepasst werden oder du musst ggf. verschiedene Schienen im Wechsel tragen.
Welche weiteren Therapiemöglichkeiten gibt es neben der Aufbissschiene?
Neben dem Tragen der Aufbissschiene kann es Sinn machen, weitere zahnärztliche oder kieferorthopädische Korrekturen vorzunehmen. Hierzu zählen z. B. das Schließen von Zahnlücken oder das Einschleifen von Zähnen. Auch schlecht sitzende Brücken und zu hohe Kronen gilt es zu ersetzen. Bei entsprechender Indikation ist manchmal auch eine OP notwendig, z. B. bei Verwachsungen.
Bei der Behandlung der CMD spielen außerdem Physiotherapie und Osteopathie eine entscheidende Rolle.
Welche Therapiemaßnahmen helfen bei entzündeten Kiefergelenken?
Manchmal liegt der Craniomandibulären Dysfunktion eine rheumatisch-entzündliche Erkrankung zugrunde (z. B. Arthritis). In diesem Fall kann es zu chronischen Entzündungen des Kiefergelenks kommen. Um Entzündungszellen zu entfernen und Schmerzen zu lindern, nimmt der Zahnarzt eine Kiefergelenkspülung vor. Hierzu werden Kanülen in das Kiefergelenk eingebracht.
Ist die Entzündung weit fortgeschritten, kann manchmal nur noch eine Operation helfen. Der Patient bekommt hierbei ein künstliches Kiefergelenk. Diese Maßnahme wird aber erst dann ergriffen, wenn alle anderen Therapiemethoden versagt haben.
Was geschieht, wenn die CMD unbehandelt bleibt?
Das CMD-Syndrom ist eine behandlungsbedürftige Erkrankung. Unbehandelt kann die CMD ernste Spätfolgen wie z. B. eine Skoliose und Blockaden der oberen Halswirbel nach sich ziehen. Auch die Chronifizierung von Tinnitus gehört zu den Langzeitfolgen. Von daher gilt: Gehe beim Verdacht auf CMD sofort zum (Zahn-)Arzt.
CMD behandeln mit Physiotherapie
Ziel der Physiotherapie bei CMD ist es, eine Entspannung der chronisch verkrampften Kiefer-Weichteile zu erreichen. Gelingt dies, kommt es zu einer deutlichen Schmerzlinderung. Auch die Beweglichkeit der Halswirbel und des Kiefergelenks lässt durch gezielte Übungen enorm verbessern.
Das Anspannen bzw. Zusammenpressen der Kiefermuskulatur passiert in der Regel unbewusst. Aus diesem Grunde wird im Rahmen der Physiotherapie eine bewusste Körperwahrnehmung geschult. Du lernst, rechtzeitig zu bemerken, wenn du deinen Kiefer verkrampfst. Auf diese Weise kannst du sofort Gegenmaßnahmen ergreifen. Das Wiedererlangen der motorischen Kontrolle über deine Kiefergelenke sowie Haltungskorrekturen sind weitere wichtige Bestandteile der Physiotherapie.
Physiotherapeutische Übungen bei CMD für zu Hause
Nachfolgend möchten wir dir verschiedene Übungen vorstellen, die dazu geeignet sind, deine Kiefermuskeln zu lockern und Schmerzen zu lindern.
1. Mund öffnen und schließen
Setze dich aufrecht auf einen Stuhl. Deine Hände legst du auf der Tischplatte ab. Schließe die Augen und konzentriere dich auf deinen Kiefer. Wie fühlt er sich an? Atme mehrmals ganz ruhig ein und aus. Jetzt öffnest du deinen Mund leicht und schließt ihn wieder. Lass deine Bewegungen immer größer werden, bis dein Mund schließlich weit geöffnet ist. Achte darauf, die Bewegungen des Mundes fließend auszuführen.
2. Kiefergelenkmassage
Zur Durchführung dieser Massagetechnik kommen deine Zeige-, Mittel- und Ringfinger zum Einsatz. Platziere die Finger beidseitig vor deinen Ohren. Wenn du nun deinen Mund öffnest, kannst du deine Kiefergelenke leicht ertasten. Du kannst spüren, wie diese sich bei geöffnetem Mund nach vorne schieben.
Hast du die richtige Stelle gefunden, geht es mit der Massage auch schon los: Massiere deine Kiefergelenke mit kreisenden Bewegungen von vorne nach hinten. Bereits nach einigen Minuten solltest du eine deutliche Entlastung spüren.
3. Halsmuskel-Entspannung
Begebe dich in Rückenlage, deine Beine sind ausgestreckt. Lege dir deine rechte Hand als Stütze in den oberen Nacken. Daumen und Zeigefinger deiner linken Hand positionierst du an deinem vorderen Hals. Schließe entspannt die Augen und erspüre, wo die Verspannungen sitzen. Streiche mit Daumen und Zeigefinger sanft über die schmerzenden Stellen.
CMD behandeln mit Osteopathie
Zahnärztliche Versorgung, Physiotherapie und Osteopathie bilden die Basis der Behandlung von CMD. Sofern dein Zahnarzt dir Osteopathie verschreibt, sollten er und dein Osteopath Hand in Hand arbeiten. Die Behandlungsschritte müssen aufeinander abgestimmt sein und sich ergänzen. Vor einer zahnärztlichen Behandlung kann der Osteopath beispielsweise eine osteopathisch-manipulative Therapie durchführen.
Hierbei werden deine Wirbelarterien mittels Ultraschall untersucht. Im Ultraschallbild kann der Osteopath etwaige Schäden erkennen und in Absprache mit deinem Zahnarzt eine gezielte Behandlung einleiten.
Kiefer tapen bei CMD
Dass ein Tapeverband bei Muskelschmerzen Linderung verschafft, ist allseits bekannt. Auch bei CMD kann das Tapen helfen. Wenn deine Muskeln verkrampfen, kommt es zu einem Sauerstoffmangel und zu einer Unterversorgung mit Nährstoffen. Taping stimuliert den Blut- und Lymphfluss, sodass die Versorgung deiner Muskeln wieder sichergestellt ist. Die Schmerzen lassen nach.
Eine häufige Ursache für CMD ist ein Ungleichgewicht des Bewegungsapparats. Letzteres wird durch Taping ausgeglichen. Demzufolge kann gewissenhaftes Tapen der Entstehung einer CMD sogar vorbeugen.
Tragen die Krankenkasse die Behandlungskosten bei CMD?
Die medizinische Grundversorgung bei CMD ist in der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen inbegriffen. Die erste Untersuchung durch den Zahnarzt ist demzufolge eine Kassenleistung. Auch die Kosten für die Aufbissschiene, welche als Standard-Therapie gilt, werden von der Krankenkasse getragen. Allerdings muss es sich um eines der folgenden Modelle handeln:
- Aufbissbehelfe mit adjustierter Oberfläche
- Interzeptoren
- Miniplastschienen mit individuell geformtem Kunststoffrelief
- Michigan-Schienen (spezielle Aufbissschienen, bei denen alle Okklusionsflächen bedeckt sind)
Die Kosten für Schienenarten, die von oben genannten Modellen abweichen, musst du selbst tragen.
Bekommst du Physiotherapie verschrieben, übernehmen die gesetzlichen Kassen die Kosten. Du musst lediglich die gesetzlich vorgeschriebene Zuzahlung leisten. Bei Osteopathie verhält es sich hingegen etwas anders: Da die Wirksamkeit nicht eindeutig nachgewiesen ist, beteiligen sich nicht alle Krankenkassen an den Behandlungskosten. Frage am besten bei deiner Krankenkasse nach, wie diese es handhabt.
Als Privatleistung gilt die Funktionsanalyse durch den Zahnarzt sowie die Injektion von Botulinumtoxin A bei Bruxismus. Hierfür kommen die gesetzlichen Krankenkassen nicht auf.
Fazit
Die Craniomandibuläre Dysfunktion ist weit verbreitet und kann mit zahlreichen unspezifischen Symptomen einhergehen. Wird die Erkrankung jedoch rechtzeitig erkannt und behandelt, hast du gute Chancen, wieder schmerzfrei zu werden. Behandelt wird die CMD mit einer Kombination aus zahnärztlicher Versorgung, Physiotherapie und Osteopathie. Akute Beschwerden kannst du mithilfe von Alltagsübungen und Taping lindern.
Ebenso spielt deine Psyche beim Heilungsprozess eine große Rolle: Andauernder Schmerz kann ziemlich zermürbend sein. Von daher solltest du gezielt Auszeiten in deinen Alltag integrieren und auch Entspannungstechniken in die Therapie einbeziehen.
Einen Großteil der Behandlungskosten trägt die gesetzliche Krankenkasse. Zusätzliche Behandlungswünsche (besondere Diagnostik, spezielle Schiene, Botoxinjektion) musst du privat bezahlen.
Referenzen:
- Ist Kieferknacken gefährlich? | Apotheken-Umschau: 08.02.2019: https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/symptome/ist-kieferknacken-gefaehrlich-717387.html
- GFZA: CMD-Statistik – Verbreitung der Craniomandibulären Dysfunktion: https://www.gzfa.de/diagnostik-therapie/cmd-craniomandibulaere-dysfunktion/cmd-symptome/cmd-statistik/
- GFZA: CMD und Tinnitus – Stress im Ohr durch krankes Kausystem: https://www.gzfa.de/diagnostik-therapie/cmd-craniomandibulaere-dysfunktion/cmd-symptome/cmd-tinnitus/
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