Beim Beckenboden handelt es sich um eine Platte aus Muskeln, die dafür sorgt, Deinen Bauchraum und die dort befindlichen Organe zu schützen. Die Beckenbodenmuskulatur kann wie jede andere Muskelgruppe trainiert werden. Leider erfährt der Beckenboden oft erst dann Aufmerksamkeit, wenn er Probleme macht (z. B. bei Inkontinenz). Dabei ist es durchaus sinnvoll, den Beckenboden regelmäßig ins Fitnesstraining zu integrieren. Dies gilt für Männer und Frauen gleichermaßen. Beckenboden-Übungen setzen sich aus einem Wechsel von Anspannungs- und Entspannungsübungen zusammen. Hierdurch gelingt es, die Muskulatur zielgerichtet zu kräftigen. Wie dies im Detail funktioniert, erklären wir Dir in diesem Artikel.
Inhaltsverzeichnis
Welche Aufgaben erfüllt der Beckenboden?
Ein kräftiger Beckenboden schützt Deine Bauch- und Beckenorgane vor dem Absinken. Darüber hinaus sorgt er für eine gut funktionierende Schließmuskulatur von After und Harnröhre. Kennst Du es vielleicht, dass Du ein paar Tropfen Urin verlierst, wenn Du lachst, hustest oder etwas Schweres heben möchtest? Dies nennt sich Belastungsinkontinenz. Ursächlich ist unter anderem eine geschwächte Beckenbodenmuskulatur. Vor allem bei Frauen können nachgeburtlich die Strukturen des Beckenbodens gestört sein.
Inkontinenz kann sehr belastend sein und die Lebensqualität stark einschränken. Du musst dich jedoch keinesfalls damit abfinden! Beckenbodentraining kann dir helfen, das Problem wieder in den Griff zu bekommen.
Für welche Personen sind Beckenboden-Übungen besonders sinnvoll?
Der Personenkreis, der vom Beckenbodentraining profitieren könnte, ist groß. Übergewicht und Haltungsschäden durch Fehlbelastungen (z. B. zu langes Sitzen) sind in unserer heutigen Gesellschaft keine Seltenheit mehr. Die wenigsten Menschen wissen jedoch, dass diese Faktoren den Beckenboden schwächen. Frauen, die schwanger sind oder ein Kind geboren haben, sollten unbedingt mit Beckenbodentraining beginnen.
Beckenbodentraining ist vor allem sinnvoll bei:
Übergewicht / Adipositas
Haltungsschäden
Blasenschwäche / Belastungsinkontinenz
Darmschwäche
Speziell für Frauen:
bei Absenkung der Gebärmutter
während der Schwangerschaft
nach der Geburt
in den Wechseljahren
nach OPs im Beckenbereich
Speziell für Männer:
bei Potenzschwäche
nach OPs an der Prostata
Beckenboden-Übungen: Auf die richtige Atmung kommt es an
Bevor wir Dir einzelne Beckenboden-Übungen vorstellen, möchten wir zunächst auf die richtige Atemtechnik eingehen. Der Atmung kommt beim Beckenbodentraining nämlich eine entscheidende Bedeutung zu:
Wenn Du einatmest, senkt sich Dein Zwerchfell. Deine Bauchorgane werden nach unten gedrückt. Der Beckenboden wird gedehnt und senkt sich leicht hinab. Atmest Du aus, hebt sich Dein Zwerchfell. Deine Beckenbodenmuskulatur zieht sich zusammen, der Beckenboden hebt sich ebenfalls.
Wie Du siehst, hängt Deine Beckenbodenmuskulatur eng mit Deinem Zwerchfell zusammen. Sind Deine Atmung und die Bewegung des Beckenbodens nicht im Einklang, kann die Muskulatur sich nicht ausreichend entspannen bzw. zusammenziehen.
Im ersten Schritt solltest Du also lernen, ein Gespür für Deine Atmung zu entwickeln. Die Atmung bildet die Basis für ein erfolgreiches Beckenbodentraining:
1. Bauchdecke spüren
Lege eine Hand auf Deine Bauchdecke und spüre, wie sie sich hebt (Einatmung) und senkt (Ausatmung). Achte darauf, gleichmäßig ein- und auszuatmen. Diese Übung funktioniert am besten im Liegen, alternativ lässt sie sich aber auch im Sitzen durchführen.
2. Luftballon – Trick
Manchmal sind ein paar Gedankenspiele nötig, um sich auf Atemübungen einlassen zu können. Stelle Dir vor, Dein Bauch sei ein Luftballon, in den Luft hinein- und hinausströmt. Wenn Du einatmest, dehnt der Ballon sich aus (Beckenboden senkt sich). Wenn Du ausatmest, schrumpft der Ballon wieder zusammen (Beckenboden hebt sich).
Die effektivsten Beckenboden-Übungen
Der Beckenboden kann sowohl stehend oder sitzend als auch im Liegen trainiert werden. Viele der Übungen lassen sich unauffällig zu Hause oder sogar auf der Arbeit durchführen.
Du kannst Deinen Beckenboden bei jeder Gelegenheit trainieren, z. B. beim Zähneputzen, bei der PC-Arbeit oder beim Kochen. Eine weitere Möglichkeit, Deinen Beckenboden ganz nebenbei zu trainieren, ist die Nutzung eines Balancekissens. Letzteres kommt auch in der Physiotherapie zum Einsatz.
Beckenbodentraining im Stehen
1. Beckenboden hochziehen
Lehne Dich mit dem Rücken gegen eine Wand, Deine Lendenwirbelsäule sollte stabilisiert sein. Dein Schambein ziehst Du gedanklich zum Bauchnabel. Nun schließt Du den Beckenboden und ziehst ihn hoch. Halte die Position und ziehe dreimal nach.
2. Den Ball halten
Stelle Dich mit dem Gesicht zur Wand und platziere einen Ball vor Deinem Bauch. Halte den Ball an der Wand, er darf nicht zu Boden fallen. Versuche, verschiedene Bewegungen auszuführen und den Ball zu balancieren.
3. Beckenkreisen
Diese Übung sieht ein wenig nach Tanzen aus. Kreise Dein Becken von rechts nach links, wechsle dann die Richtung. Anschließend kippst du Dein Becken bewusst nach vorne und zurück. Wiederhole die Bewegungsabläufe mehrmals.
Beckenbodentraining im Sitzen
Folgende Übungen kannst Du jederzeit durchführen, z. B. auch am Arbeitsplatz:
Variante 1:
Du sitzt auf einem Stuhl. Dein Rücken ist aufrecht, der Beckenboden bewusst angespannt. Deine Beine stehen im rechten Winkel auf dem Boden. Nun hebst Du Deine Füße nacheinander einige Zentimeter an. Achte darauf, während der Übung deine aufrechte Körperhaltung beizubehalten und Dich nicht versehentlich nach hinten zu lehnen.
Variante 2:
Du sitzt auf einem Stuhl und ziehst Deine Sitzbeinhöcker nach innen. Halte die Anspannung einige Momente aus, dann löse. Wiederhole den Vorgang mehrmals.
Beckenbodentraining im Liegen
1. Knieschieben
Lege Dich auf den Bauch. Winkle ein Knie an und schiebe es etwas nach außen. Achte darauf, dass der Fuß während der gesamten Übung am Boden bleibt. Wiederhole den Vorgang mit Deinem anderen Knie.
2. Balanceübung mit Ball
Begebe Dich in Rückenlage und platziere einen Ball unter Deinem Becken. Nun hebe Deine Beine abwechselnd im rechten Winkel hoch. Versuche, Dich dabei auszubalancieren.
3. Seitenlage
Lege Dich in Seitenlage auf eine Matte. Hebe das obere Knie leicht an und ziehe Deinen Beckenboden bewusst nach innen. Achte auf eine ruhige und regelmäßige Atmung. Wiederhole die Übung auf der anderen Seite.
Weitere Erklärungen und Übungen zum Ausdrucken findest Du in dieser PDF-Broschüre.
Beckenboden-Übungen für Frauen
Im Laufe des Lebens kann es geschehen, dass die Gebärmutter sich absenkt. Dies macht sich durch Schmerzen beim Urinieren sowie Belastungsinkontinenz bemerkbar. Folgende Übungen können helfen, einer Gebärmuttersenkung vorzubeugen bzw. vorhandene Beschwerden zu reduzieren:
1. Der Unterarmstütz
Begebe Dich in den Unterarmstütz. Deine Knie bleiben dabei am Boden. Spanne Deinen Beckenboden an und zähle langsam bis fünf. Löse die Anspannung und wiederhole die Übung.
2. Beckenheben
Lege Dich auf den Rücken. Kippe Dein Becken nach innen, spanne es an und hebe es schließlich hoch. Mache hiervon 10–12 Wiederholungen.
3. Beckenkippen
Du liegst auf dem Rücken und kippst Dein Becken nach innen. Hierbei spannst Du Deinen Beckenboden an. Löse die Anspannung nach etwa 10 Sekunden und mache mindestens 10 Wiederholungen.
Beckenboden-Übungen in der Schwangerschaft
Während der Schwangerschaft wird Dein Beckenboden so sehr belastet wie noch niemals zuvor. Plötzlich muss er nicht nur das Gewicht deiner Bauchorgane tragen, sondern auch das Gewicht eines Babys. Um Deinen Beckenboden für diese Herausforderung zu stärken, solltest Du ihn trainieren.
Wusstest Du, dass ein gut trainierter Beckenboden Dir die Geburt erleichtern und Verletzungen vorbeugen kann? Ein weiterer Grund, um folgende Übungen einmal auszuprobieren:
1. Im Schneidersitz
Setze Dich bequem in den Schneidersitz. Dein Rücken bleibt aufrecht, Deine Hände darfst Du entspannt auf den Knien ablegen. Hebe deinen Beckenboden nun bewusst nach oben und zähle bis fünf. Dann löse die Spannung. Mache 10 Wiederholungen.
2. Rückenstrecker
Setze Dich auf die Knie und öffne leicht Deine Beine. Deine Füße sollten einander berühren. Lege nun Deinen Oberkörper vorsichtig auf Deinen Knien ab und strecke die Arme so weit es geht nach vorne. Nun schiebst Du das Gesäß nach oben und schließt Deine Knie. Dadurch zieht sich Deine Beckenbodenmuskulatur zusammen.
3. Katze und Kuh
Diese Übung ist nicht nur wohltuend für die Wirbelsäule, sondern auch für den Beckenboden. Stelle Dich auf Hände und Knie und mache abwechselnd ein Hohlkreuz (Kuh) und einen Buckel (Katze). Deine Beckenbodenmuskulatur ist während der gesamten Übung angespannt.
4. Übungen mit dem Pezziball
Gerade im fortgeschrittenen Stadium der Schwangerschaft kann es anstrengend werden, das Becken im Stehen zu kippen. Auf dem Pezziball stellt dies kein Problem dar. Auf dem Ball kannst Du Dein Becken kreisen lassen und sanft wippen.
Beckenboden-Übungen für die Rückbildung
Beim Geburtsvorgang wird Dein Beckenboden durch den Kopf Deines Babys sehr stark gedehnt. Nach der Geburt beschreiben viele Frauen ein Taubheitsgefühl oder ein Druckgefühl rund um den Damm. Damit Deine strapazierte Beckenbodenmuskulatur wieder regeneriert und gekräftigt wird, ist der Besuch eines speziellen Rückbildungskurses unerlässlich. Unterstützend kannst Du einmal Folgendes probieren:
Kegeltraining
Im Rahmen der Kegelübungen trainierst Du abwechselnd die langen und kurzen Muskelfasern Deines Beckenbodens. Kegelübungen kommen im Rahmen jeder Rückbildungsgymnastik zum Einsatz. Weitere Erklärungen und Übungsbeispiele findest Du hier: https://www.tena.de/lightsbytena/ratgeber/uebungen/kegel-uebungen
Training mit Liebeskugeln
Liebeskugeln bestehen aus Silikon oder Metall. Sie sind in verschiedenen Größen und Gewichtsklassen erhältlich. Die Kugel wird in die Vagina eingeführt. Damit Du sie problemlos wieder entfernen kannst, ist sie mit einer Rückholschlaufe versehen. Im Inneren der Kugel befindet sich meist noch eine weitere Kugel, welche für Rotation sorgt. Wenn Du Dich bewegst, wird die Kugel in Schwingungen versetzt. Dies trägt nicht nur zur effektiven Kräftigung des Beckenbodens nach der Geburt bei, sondern auch zu einer Steigerung des sexuellen Lustempfindens.
Der Trainingseffekt des Beckenbodens erfolgt durch das Halten der Kugeln. Je kleiner und schwerer die Kugeln sind, desto stärker muss Dein Beckenboden arbeiten, damit sie nicht herausrutschen. Wenn Du noch keine Erfahrungen mit Liebeskugeln hast, solltest Du mit einem leichten Gewicht starten und Dich langsam steigern.
Vielleicht kannst Du Dich auch bei anderen Müttern oder bei Deiner Hebamme erkundigen, welche Kugeln sie für das Beckenbodentraining nach der Geburt empfehlen. Selbstverständlich solltest Du darauf achten, dass die Kugeln aus hautverträglichem Material bestehen. Nach der Verwendung müssen sie gründlich gereinigt werden, ansonsten besteht Infektionsgefahr.
Beckenboden-Übungen für den Mann
Wenn man von Beckenbodentraining spricht, denken die meisten Menschen an ein reines Frauenthema. Dies ist jedoch nicht zutreffend. Auch Männer profitieren von einem starken Beckenboden. Dies gilt vor allem nach einer Strahlentherapie oder bei Inkontinenz nach Operationen an der Prostata.
1. Vierfüßlerstand
Du stehst auf Händen und Knien. Die Position sollte sich für Dich angenehm anfühlen. Nun bewegst Du Dein Steißbein nach unten. Deine Lendenwirbelsäule bildet hierbei eine Art Katzenbuckel, Dein Becken ist aufgerichtet. Dein Blick geht nach unten Richtung Boden. Anschließend führst Du die Bewegungen in die entgegengesetzte Richtung aus. Das bedeutet, dass Du Dein Becken nun kippst.
Wichtig: Wenn Du Dein Becken aufrichtest, atmest Du ein. Kippst Du Dein Becken, atmest Du aus.
2. Rotieren im Sitzen
Nimm auf einem Stuhl Platz und schiebe die Hände unter Dein Gesäß. Hierbei solltest Du Deine Sitzbeinhöcker spüren. Diese befinden sich im unteren Bereich des Gesäßes. Nun kippst Du dein Becken im Uhrzeigersinn nach vorne, zur Seite, nach hinten und wieder zur Seite.
Beckenboden-Übungen im Fitnessstudio
Zahlreiche Männer (und auch Frauen) besuchen regelmäßig ein Fitnessstudio. Wie wäre es, wenn Du das nächste Mal nicht nur den Bizeps und die Beine trainierst, sondern auch etwas für Deinen Beckenboden tust? Im Fitnessstudio bieten sich hierfür zahlreiche Möglichkeiten:
1. Training auf der Vibrationsplatte
Die meisten Fitnessstudios sind heutzutage mit Vibrationsplatten ausgestattet. Alle Übungen (stehend, liegend, sitzend), die wir Dir zuvor bereits erklärt haben, kannst Du auch auf der Vibrationsplatte durchführen. Ein Vibrationstraining erzeugt extrem schnelle Bewegungen, auf welche Deine Muskulatur mit heftiger Kontraktion reagiert. Dadurch wird die Effektivität der Übungen deutlich gesteigert.
2. Yoga– und Pilateskurse
In zahlreichen Sport- und Fitnessstudios werden Sportkurse angeboten, wie z. B. Yoga und Pilates. Viele Yoga- und Pilatesübungen kräftigen den Beckenboden ganz automatisch mit. Probiere es doch einmal aus. Selbstverständlich kannst Du Yoga und Pilates auch als Home-Work-out durchführen. Im Internet gibt es zahlreiche hilfreiche Trainingsvideos zum Mitmachen.
Weitere Informationen zum Thema findest Du hier.
Empfehlenswerte Trainingsvideos auf Youtube
Alltagstipps bei Beckenbodenschwäche
Es gibt zahlreiche Optionen, um Deinen Beckenboden zu trainieren, sei es vorbeugend oder zur Linderung von Beschwerden. Auch im normalen Alltag kannst Du eine Menge dazu beitragen, Deinen Beckenboden gesund und kräftig zu halten:
Rolle Dich vor dem Aufstehen auf die Seite, um Druck auf den Beckenboden zu vermeiden.
Achte im Alltag auf eine aufrechte Körperhaltung.
Beuge Dich beim Husten und Niesen nicht nach vorne, sondern schaue über die Schulter (Druckentlastung für den Beckenboden).
Referenzen:
- Beckenbodentraining für Frauen. https://www.thieme.de/de/hebammenarbeit/postnatales-beckenbodentraining-149398.htm [zuletzt aufgerufen am 10.08.2021]
- Beckenbodentraining für Männer. https://www.diabetes-ratgeber.net/Sex-und-Partnerschaft/Beckenbodentraining-fuer-Maenner-559507.html ,[zuletzt aufgerufen am 10.08.2021]
- Interdisziplinäre S2e-Leitlinie für die Diagnostik und Therapie der Belastungsinkontinenz der Frau. AWMF-Register Nr. 015/005 [Stand: 08/1998; derzeit in Überarbeitung]
- Manski, D. Urologielehrbuch. https://www.urologielehrbuch.de/beckenboden_insuffizienz.html [Stand: 08/2020]
geprüft und ergänzt am 10.08.2021 von Dr. rer. nat. Marcus Mau
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